Die aktuellen Eintragsraten
an Stickstoff übersteigen an allen Untersuchungsstandorten die ökosystemverträglichen
Schwellenwerte (critical loads). Dem zeitlichen
Verlauf der Stickstoffdepositionsraten entsprechend, sind die Überschreitungsbeträge
der critcal loads bislang nicht sehr wesentlich zurückgegangen. An Standorten mit einer lang anhaltenden Überschreitung der critical
loads ist zumindest mittel- bis langfristig ein Stickstoffangebot
über den biologischen Bedarf im Ökosystem hinaus zu erwarten,
der im Austrag von Stickstoff mit dem Sickerwasser als Nitrat oder in gasförmiger
Form in die Atmosphäre mündet. Diese Situation wird als „Stickstoffsättigung“
bezeichnet. Von „Sättigung“ wird also nicht erst bei einer
ausgeglichenen oder negativen Bilanz, sondern bereits bei merklichen Stickstoffausträgen
(> 5 kg/ha . Jahr) gesprochen.
An einem Teil der rheinland-pfälzischen Waldstandorte konnte bereits
eine Stickstoffsättigung festgestellt werden.
Mit Ausnahme von Auenwäldern, bestimmten Edellaubholzwäldern und
Erlenbrüchen, ist die Biomasseproduktion in Waldökosystemen von
Natur aus meist stickstofflimitiert. Daher führt ein zusätzlicher
Stickstoffeintrag aus der atmogenen Stoffdeposition zumeist zu einer Wachstumssteigerung.
Allerdings gilt dies nur, solange nicht die Wasserverfügbarkeit oder
die Verfügbarkeit anderer Nährelemente zum begrenzenden Faktor
wird. Im Zuge der Bodenversauerung gehen den Ökosystemen vor allem
Basekationen verloren. Bei einem durch den Stickstoffeintrag beschleunigten
Wachstum stehen diese Kationen häufig nicht mehr in ausreichendem Maße
zur Verfügung, sodass Ungleichgewichte in den Nährelementrelationen
entstehen. Der Eintrag von Ammoniumionen wirkt sich hierbei besonders ungünstig
aus. Als Kation konkurriert das Ammonium in der Wurzelaufnahme mit Ca++,
Mg++ und insbesondere K+ und beeinträchtigt in hohen Konzentrationen
die Aufnahme dieser Basekationen. Hinzu kommt, dass vor allem Nadelbäume
Ammonium gegenüber Nitrat als Quelle für anorganischen Stickstoff
bevorzugen. Die Ammoniumaufnahme ist mit einer Protonenproduktion in der
Wurzelumgebung verbunden (Rhizosphärenversauerung), während die
Nitrataufnahme den entgegengesetzten Effekt zeigt. Der Eintrag von Ammoniumstickstoff
wirkt sich demnach ungünstiger auf die Waldökosysteme aus als
ein gleich hoher Eintrag an Nitratstickstoff.
Ein übermäßiges Stickstoffangebot führt zu vielfältigen
Reaktionen der Bäume und Ökosysteme. Hierbei sind insbesondere
aufzuführen:
-
Verengung
des Verhältnisses von Wurzelbiomasse zu Sprossbiomasse
(—> gegebenenfalls negative Folgen für die Baumernährung und die Wasserversorgung)
-
Abnahme
der Mykorrhizafrequenz, Veränderung des Pilzspektrums
(—> gegebenenfalls negative Folgen für Baumernährung
und Schutz vor Pathogenen)
-
Abnahme der
Frosthärte
-
Veränderung des
Gleichgewichts zwischen Wirtspflanzen und Pathogenen
-
Inanspruchnahme des
Kohlenstoff- und Energiehaushaltes durch „Entgiftung“ des
aufgenommenen NH3/NH4.
Bei Veränderungen im Stickstoffhaushalt treten Verschiebungen in der
Artenzusammensetzung sowohl in der Bodenvegetation als auch in der Bodenfauna
auf. Im Extremfall, z.B. bei starker Ausbreitung von Sandrohr bzw. anderen
Gräsern oder der Brennnessel, kann dies zu einer gravierenden Beeinträchtigung
des Wasser– und Stoffhaushaltes der Waldbäume und zu einer Verhinderung
der natürlichen Verjüngung führen. Bei zunehmender Stickstoffsättigung steigt die Gefahr einer Nitratbelastung
des Grund– und Quellwassers. Unter bestimmten Bedingungen, z.B. bei
Wasserüberschuss, ist bei zunehmender Stickstoffsättigung auch
ein Anstieg der Emission des Treibhausgases Distickstoffoxid (N2O)
zu erwarten.
Ansprechpartner
Dr.
Martin Greve, email:
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